CV: Die vegane Szene ist zwiegespalten. Während die einen sich friedlich einsetzen, wird von anderen Aggressivität als politisches Mittel nicht immer ausgeschlossen. Kommen wir mit Mitgefühl weiter?
MK: Ich würde „Aggressivität“ gerne durch „Aktivität“ ersetzen. Wir kommen durch Mitgefühl weiter, aber Mitgefühl ist erstmal etwas privates. Es kann der Ausgangspunkt sein. Wir müssen aber Aktivisten werden und auch politisch oder gesellschaftlich handeln, wenn wir etwas in der Sache erreichen wollen. Das heißt: Nachdenken, argumentieren, sich exponieren, versuchen Menschen zu überzeugen. In der öffentlichen Debatte zählen eben Argumente und auch ein gutes Auftreten und die richtige Taktik. Die Albert-Schweitzer-Stiftung hat zuletzt sehr viel in Gesprächen und Verhandlungen mit der Industrie erreicht. Nicht durch Mitgefühl, sondern durch Fachwissen und Kampagnen. Wir müssen weg vom Moralisieren und der Überzeugung, dass wir sowieso im Recht (bzw. die besseren Menschen) sind.
CV: Yoga und Veganismus – beides Dinge mit denen wir uns gut tun können. Du praktizierst schon beides und studierst außerdem noch Philosophie – was wünscht Du Dir noch? Oder anders gefragt: Hast Du etwas entdeckt, womit Du Dir noch mehr Gutes tun kannst?
MK: In meinem Alter (44) muss man sich Gott sei Dank nicht mehr hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen. Ich würde sagen, ich muss mir selbst nicht noch mehr Gutes tun – das ist als satter Mitteleuropäer doch auch total langweilig. Das mag bei anderen Menschen aber aus guten Gründen ganz anders sein, die zum Beispiel krank sind oder in einer schwierigen Lebensphase sind oder sehr schwer arbeiten müssen. Es ist eine Frage der Kapazität. Wer freie Kapazitäten und die Möglichkeit hat, sollte etwas für andere tun.
CV: Wenn Dich jemand um eine Empfehlung für seine Lebensgestaltung bitten würde, der weder vegan lebt, noch jemals mit Yoga in Berührung gekommen ist, was würdest Du ihm sagen?
MK: Ich halte mich sehr zurück mit Empfehlungen, aber hier jetzt das volle Programm: Mach ein bisschen Yoga und iss viel weniger Fleisch, probiere es vielleicht einen Monat als Vegetarier, arbeite weniger und kümmere dich dafür mehr um deinen Partner, deine Kinder oder deine Freunde. Am besten verliebe dich in sie. Lies eins von diesen Büchern: Pablo Casals – Licht und Schatten, Viktor Frankl – Trotzdem ja sagen oder Miranda July – Es findet dich. Das könnte alles ändern, weil einfach eine andere Art von Nachdenken über das eigene Leben beginnt. Es geht um die Inspiration durch den Yoga, das Essen, die Freunde und das Lesen.
CV: Wie siehst Du den momentanen Trend, die Abkehr von tierischen Produkten hin zur veganen Lebensweise. Als Trend, der vorüber geht oder als Anzeichen dafür, dass sich wirklich nachhaltig was ändern könnte? Werden wir tatsächlich zu einer mitfühlenden Gesellschaft oder denken wir dabei nur einfach an unsere eigene Gesundheit?
MK: In Deutschland sehe ich einen Trend hin zur vegetarischen Ernährung. Die dazugehörige Lebensweise kommt hoffentlich hinterher. Das würde zum Beispiel bedeuten, keinen Pelz, kein Leder mehr zu tragen oder aufzuhören, Tiere in den Zirkus oder den Zoo zu sperren oder absurde Hunderassen zu züchten, die wir dann niedlich finden. Wir können Mitgefühl nicht erzwingen oder verordnen, wir können aber eine Diskussion über unseren Umgang mit Tieren anstoßen und am Laufen halten. Philosophisch würde man sagen, der Diskurs hat für sich genommen schon einen intrinsischen Wert. Wenn wir nämlich viele Stimmen hören und sich alle beteiligen, können alle etwas lernen. Die eigene Gesundheit gibt es bei einer vegetarischen Lebensweise als Geschenk mit dazu. Man braucht sich dann nicht mehr soviel um sie zu kümmern, sie kommt von selbst.
CV: Danke für Deine Zeit und Deine Offenheit.
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